Ich habe nicht nur meine "Visa-Extension-Reise" durch Thailand, die Philippinen und Singapur hinter micht gebracht, sondern war auch in auf einem spontanen Trip in der Landeshauptstadt Jakarta unterwegs und habe außerdem meine Schüler intensiv auf ihre Abschlussprüfungen vorbereitet.
Würde ich in diesem Blogeintrag von allen erzählenswerten Gegebenheiten auf einmal berichten, säße ich wohl bei Tagesanbruch noch vor der Tastatur. Deshalb will ich mich diesmal auf meine aktuelle Situation beschränken, bevor ich von der Vergangenheit erzähle.
Für meine Entsendeorganisation ICJA musste ich kürzlich mal wieder einen Zwischenbericht anfertigen, mein Aufenthalt in Indonesien ist schließlich bei der Halbzeit angelangt. Im folgenden findet ihr also den besagten Halbjahresbericht, der meine gegenwärtige Rolle im Projekt und in der Gastfamilie behandelt.
Über die Hälfte meines Aufenthaltes in Indonesien ist vorbei und seit dem letzten Zwischenbericht vor 3 Monaten hat sich einiges getan. Ich begreife immer mehr von meinem Gastland und gewinne immer tiefere Einblicke in die Kultur, was sicherlich auch daran liegt das ich Sprache inzwischen fast fließend beherrsche. Die Hoffnung, jemals Jawanesisch zu beherrschen, habe ich zwar aufgegeben, aber dafür haben mich meine guten Indonesischkenntnisse zum gefragten Gesprächspartner werden lassen.
Diese verbesserten Sprachkenntnisse beeinflussen auch meine Rolle im Projekt. Die allermeisten meiner Schüler verstehen auch nach über 5 Jahren Englischunterricht kaum ein Wort standartmäßig gesprochenes Englisch und bei zahlreichen Schülern glaube ich auch nicht, dass sich das jemals ändern wird. Ich bezweifele inzwischen, dass man bei der aktuellen Personalbesetzung und den riesigen Klassen etwas an der gegenwärtigen Situation ändern kann. Da ich meine Englischkenntnisse also kaum effektiv einsetzen kann, versuche ich meine Fähigkeiten und anderweitigen Kenntnisse so gut wie möglich einzubringen. Ich beschränke mich inzwischen oft darauf, auf Indonesisch von den Verhältnissen in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt außerhalb Indonesiens zu berichten. Auf diese Weise kann ich nicht nur mit teilweise völlig absurden Vorurteilen aufräumen („Regnet es überhaupt in Europa?“) sondern auch ihren Horizont erweitern. Viele von ihnen haben noch nie ihre Heimatstadt verlassen und werden erst recht nie ihr Land verlassen, sodass sie stets sehr dankbar und interessiert an meinen Ausführungen sind. Wenn sich die Möglichkeit bietet, versuche ich in meine Ausführungen immer ein paar Sätze auf Englisch zu flechten, wobei ich dann allerdings oft in irritierte Gesichter gucken muss.
Meine Gastfamilie betrachte ich inzwischen schon fast als richtige Familie, ich fühle mich dort sehr wohl. Meinen eigentlichen Gastbruder sehe ich zwar höchstens alle 2 Wochen da er ansonsten in einem islamischen Internat wohnt, aber da in der angrenzenden Doppelhaushälfte noch die Familie meines Gastonkels wohnt, habe ich deren Kinder oft um mich herum und kann mir mit ihnen die Zeit vertreiben. Inzwischen behandelt mich meine Gastfamilie auch nicht mehr wie einen völlig hilflosen Gast im fremden Land sondern lässt mir immer mehr Freiheiten, sodass ich nun schon seit längerem einen geregelten Alltag habe und nicht mehr jeden meiner Schritte vorher anmelden muss.
Anfangs war ich sehr glücklich darüber, in einer Gastfamilie zu wohnen. Ich bekam so einen sehr authentischen Einblick in das traditionelle, indonesische Familienleben und lernte sicherlich auch viel mehr von der Kultur, der Sprache und den Gerichten meines Gastlandes kennen, als ich es jemals getan hätte, wenn ich alleine gewohnt hätte. In letzter Zeit wünsche ich mir allerdings immer öfter, alleine oder zusammen mit einem anderen internationalen Freiwilligen zu wohnen. Nach über einem halben Jahr habe ich nun genug Kenntnisse von Sprache und Sitten erworben und wünsche mir mehr Unabhängigkeit. In einer eigenen Unterkunft würde mir nicht ständig jemand auf die Finger gucken und ich müsste nicht wie so oft mein Verhalten erklären, welches für Deutsche völlig normal wäre, bei Indonesiern allerdings auf Unverständnis stößt.
Leider habe ich immer noch keine wirklich engen Freundschaften mit Einheimischen knüpfen können. In dieser Angelegenheit stehe ich vor demselben Problem wie die meisten der anderen Freiwilligen auch: viele Indonesier, ganz besonders auf dem Land, sehen einfach nicht über die weiße Hautfarbe hinweg und stellen sich nur wegen der Herkunft bei jeder Begegnung direkt unter einen. Unter diesen Bedingungen kann sich keine echte Freundschaft entwickeln und die immer noch bestehende Sprachbarriere tut ihr Übriges. Zum Glück wird unsere Gemeinschaft an internationalen Freiwilligen immer größer, sodass wir uns wenigstens untereinander austauschen können.
Trotz aller Schwierigkeiten die ich in diesem Bericht geschildert habe, gefällt es mir hier immer noch sehr gut und es fällt mir auch mit jedem Tag leichter, meinen Weg zwischen islamischen Regeln und indonesischer Tradition zu finden, ohne dass ich meine eigene Persönlichkeit zu sehr beschränken müsste.
Grüße auch dem immer heißer werdenden Zentraljawa (die Trockenzeit beginnt),
Fabian Garbe
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