Ich bin inzwischen seit über 3 Monaten in Indonesien und so langsam fühle ich mich hier zu Hause. Bevor ich hierher gekommen bin, hatte ich eigentlich keine großen Erwartungen, denn wer keine Erwartungen hat, kann auch nicht enttäuscht werden. Obwohl ich vor 2 Jahren schon einmal hier war auf einer Rundreise, war ich doch von vielen Dingen überrascht. Damals war ich mit meiner Familie und einer großen Reisegruppe unterwegs. Wir sind größtenteils unter uns geblieben, waren in einem riesigen, modernen Bus unterwegs und haben in westlichen Hotels übernachtet. Wir haben zwar damals in sehr kurzer Zeit sehr viel gesehen, sind aber kaum in die Kultur Indonesiens eingetaucht.
Schon in den ersten Tagen meines FSJs habe ich mehr über die tatsächliche Kultur erfahren als damals in 3 Wochen. So mussten wir Freiwillige unter anderem überrascht und auch etwas frustriert feststellen, dass in Indonesien nicht eine Sprache gesprochen wird, sondern über 200! Frustriert deshalb, weil das für uns bedeutet, dass wir nicht nur Bahasa Indonesia lernen müssen, sondern auch noch Javanesisch. Das Indonesische fällt mir zum Glück sehr leicht, ich kann inzwischen schon die meisten alltäglichen Konversationen meistern und verstehe auch immer mehr vom etwas anspruchsvolleren Indonesisch welches z.B. im Fernsehen gesprochen wird. Nur mit dem Javanesischen kann ich mich nicht anfreunden. Es gibt 3 verschieden Sprachlevel die sich an der Autorität der Gesprächspartner orientieren und auch die Aussprache fällt mir ausgesprochen schwer.
Zum Glück wurden wir Freiwillige in der Einführungswoche auch über die asiatische Höflichkeit und vor allem über die berühmt-berüchtigte Indirektheit aufgeklärt, das hat uns besonders am Anfang vor so mancher peinlichen Situation bewahrt. Nichts desto trotz sind wir natürlich trotzdem in zahlreiche Fettnäpfchen getreten.
Mein Projekt ist die MA Darul Ulum in Purwogondo in der Region Jepara. MA steht für Madrasa Aliyah und ist in etwa mit Islamic Highschool zu übersetzen, also eine nicht-staatliche Schule die neben den normalen Fächern noch einen besonderen Schwerpunkt auf islamische Werte legt wie z.B. Arabisch oder das Studium des Korans. Ich assistiere den Lehrern im Englisch- und Französischunterricht und biete zweimal die Woche noch einen Extrakurs Englisch für die motivierteren Schülern an.
Es fällt mir immer noch schwer zu akzeptieren, dass die Lehrer es einfach hinnehmen, wenn ihre Schüler einfach eine ganze Stunde lang nichts in ihr Heft schreiben oder schlafen. Ich versuche immer etwas Disziplin in meinen Unterricht zu bringen und da ich immer noch etwas Besonderes bin, folgen sie mir auch oft. Da die Schüler so etwas aber überhaupt nicht gewöhnt sind, galt ich in den ersten Wochen noch als ausgesprochen streng und viele hatten Angst vor mir. Zum Glück hat mich dann ein befreundeter Lehrer darauf hingewiesen und mir erklärt wie es hier läuft, sodass ich mein Verhalten anpassen konnte, die deutsche Direktheit wirkt hier nämlich schnell arrogant und peinlich.
Sehr gut gefällt mir die familiäre Atmosphäre an der Schule. Es ist z.B. keine Seltenheit, dass ein Lehrer einfach mal einem seiner Schüler seinen Haustürschlüssel in die Hand drückt damit dieser etwas für ihn aus seinem Haus holt.
Meine Lehrerkollegen sind ausgesprochen freundlich und haben mir dieselbe überschwängliche Hilfsbereitschaft entgegengebracht, die ich bisher überall in Indonesien erfahren habe. Ich habe mich von Anfang an sehr wohl gefühlt in meinem Projekt. Auch die Schüler begaffen mich inzwischen nicht mehr nur noch aus der Entfernung sondern kommen oft auf mich zu und stellen mir Fragen zum Unterricht oder wollen einfach ein bisschen mit mir quatschen.
Anfangs war ich ziemlich enttäuscht, dass mir ausgerechnet dieses Projekt zugeteilt wurde; es war keines der 3 Projekte die auf meiner Wunschliste standen und die Ausschreibung hörte sich auch alles andere als verlockend an. Ich erinnere mich an Formulierungen wie „located in the countryside“ und „limited public facilities (no bank, no ATM, no internet connection)“ die mich wirklich abschreckten, da ich auf keinen Fall in einem abgelegenen Dorf, fernab von der Stadt landen wollte. Letztendlich bin ich aber heilfroh in eben diesem Projekt gelandet zu sein. Da hier so gut wie niemand Englisch spricht und ich somit gezwungen bin, ständig meine Sprachkenntnisse anzuwenden, lerne ich die Sprache wesentlich schneller als die Freiwilligen in der Stadt. Außerdem ist die Luftverschmutzung in der Stadt sehr hoch, Indonesien ist nach den USA und China der drittgrößte CO2-Produzent in der Welt.. Auf dem Land erfährt man auch viel mehr vom ursprünglichen, traditionellen Leben als in der Stadt, wie z.B. Schlachtungen oder Beschneidungen. Ganz davon abgesehen ist mein Dorf auch bei weitem nicht so zurückgeblieben wie es in der Ausschreibung dargestellt wird: ich habe W-Lan in der Schule und sogar in meinem Haus, es gibt zahlreiche ATMs und man kann im Supermarkt fast alles kaufen, was man auch in Deutschland bekommen würde.
Die Vorbereitung in Deutschland seitens des ICJAs hat mir definitiv sehr geholfen mich auf meinen Aufenthalt hier vorzubereiten, soweit man sich für ein FSJ überhaupt vorbereiten kann.
Ich denke oft an die „Kulturelle Brille“ und versuche dann die Dinge distanzierter zu betrachten, dass hätte ich ohne die Vorbereitung sicherlich nicht getan. Auch wenn ich Beiträge für meinen Blog schreibe, kann ich oft von den Tipps und Tricks Gebrauch machen, die wir im Vorhinein vom ICJA vermittelt bekommen haben.
Ich hatte mir vorher viele Sorgen gemacht wegen des Islams, Indonesien ist schließlich das bevölkerungsreichste islamische Land der Welt. In Europa existiert leider oft noch die Vorstellung vom bösen, dunklen Islam der Frauen unterdrückt und Terroristen hervorbringt. Obwohl einige meiner besten Freunde in Deutschland Moslems sind, war auch ich von dieser Konditionierung natürlich nicht ganz ausgeschlossen, und so hatte ich teilweise erwartet, für das nächste Jahr mehr oder weniger zum Moslem werden zu müssen, mich sämtlichen Regeln unterwerfen zu müssen und extrem in meinen Freiheiten beraubt zu werden, die ich seit meiner Volljährigkeit und dem Abschluss der Schule so genossen hatte. Zum Glück haben sich aber fast alle Befürchtungen als unbegründet erwiesen. Über meine Meinung zum Islam möchte ich mir jetzt hier nicht auslassen, das würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, aber seit ich ihn einmal aus aller nächste Nähe kennen gelernt habe, hat er jegliche bedrohliche Ausstrahlung verloren. Man sagt, wir fürchten uns vor Dingen die wir nicht kennen, und so ist es mit dem Islam denke ich auch.
Grüße aus dem inzwischen verregneten Zentraljava (es ist Regenzeit),
Fabian Garbe
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