Infos und Neuigkeiten von meinem Freiwilligenjahr in Indonesien

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Schlachthof Vorgarten

Vor einigen Wochen kam ich vom Volleyballspielen nach Hause, ging ins Haus, duschte, aß zu Abend und setzte mich danach wie so oft auf die Terasse vor dem Haus. Alles ganz normal.
Ich quatschte gerade mit einem meiner Gastcousins, als plötzlich ein furchtbarer Schrei ertönte. Ich war zwar etwas überrascht von der Intensivität des Schreis, dachte aber nicht weiter darüber nach, ich hielt es für ein spielendes Kind aus der Nachbarschaft.
Auf einmal sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich etwas Großes hinter einer der Säulen der Terasse bewegte. Ich blickte auf und sah plötzlich eine riesige Kuh vor mir stehen! Ich war doppelt überrascht, denn erstens steht einem ja nicht alle Tage einfach eine Kuh gegenüber und zweitens war sie 20 Minuten vorher als ich nach Hause kam noch nicht da. Ich ging auf die Kuh zu und stellte fest, dass sie an einem Baum festgebunden war. Kurz darauf erfuhr ich von meinen Gasteltern, dass sie am nächsten Morgen geschlachtet werden sollte. Obwohl die Schlachtung zu einer typischen indonesischen Zeit stattfinden sollte, nämlich um 4 Uhr morgens, beschloss ich mir dieses (eventuell einmalige?) Ereignis nicht entgehen zu lassen.
Am nächsten Morgen stand ich also voller Spannung zur besagten Zeit auf und setzte mich mit meiner Kamera bewaffnet auf die Terasse. Schon bald kamen immer mehr Männer aus der Nachbarschaft und fingen an, alles vorzubereiten. Es wurden Gartenschläuche angeschlossen, Messer gewetzt und der Vorhof gefegt. Dann wurde die Kuh kurz losgebunden, aber nur um dirket wieder zwischen zwei Bäumen mit dicken Seilen eingespannt zu werden. Die Kuh war offensichtlich völlig am Ende, ich vermute dass sie irgendwie schon die ganze Nacht wusste was auf sie zu kommen würde. Sie schnaufte und stöhnte fürchterlich und war auch schon so schwach, dass es für die Männer ein Leichtes war sie zu Fall zu bringen.
Als alles vorbereitet war und die Kuh komplett eingespannt war wurde ihr dann letztendlich mit ein paar geübten Handgriffen der Hals aufgeschnitten. Das Blut wurde aus der Halsschlagader in einen großen Bottich abgelassen bis nichts mehr nachlief und dann ging es mit dem Zerlegen los. Das Flesich wurde anschließend auf die Nachbarschaft verteilt und später auf einer langen Liste abgerechnet. Schaut euch dazu einfach die Fotos an. Achtung, nichts für Weicheier!

Ich fand es beeindruckend mit welcher Selbstverständlichkeit und Routine das alles von Statten ging. So etwas wäre in einem deutschen Privathaushalt kaum vorstellbar, und auch für mich war es doch eine recht intensive Erfahrung. Mir wurde während der Schlachtung mal wieder bewusst, dass die größten Unterschiede zwischen Kulturen diejenigen Dinge sind, die wir als selbstverständlich erachten.
In Deutschland kauft man sein Rindersteak oder Hackfleisch natürlich im Supermarkt, wo sonst. Das das Tier unter höchsten hygenischen Standarts zerlegt wurde ist außer Frage.
In Indonesien aber ist es das normalste der Welt, dass man sich eine ganze, lebende Kuh kauft und diese selber schlachtet, und zwar einfach in einem Vorhof, auf dem 5 Minuten vorher noch Hühner und Ziegen herumliefen und täglich Kinder spielen.


Zuerst wurde die Kuh zwischen 2 Bäumen eingespannt damit sie sich nichtmehr bewegen konnte.


Nach dem Durchtrennen der Halsschlagader gings es mit dem Zerlegen los.

Die Haut wurde vom Bauch an abgezogen.

Nachdem die Bauchdecke geöffnet war, wurden die Gedärme entfernt.

Fast die ganze Straße hat mitgeholfen.

Die Rippen wurden mit einer Axt durchtrennt.

Nach ca. 1 1/2 Stunden war alles vorbei und das war alles was übrig blieb.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Volkssport Essen!

Was bedeutet Essen für die indonesische Bevölkerung? Essen ist die liebste Beschäftigung der Indonesier. Wenn man sich trifft - egal zu welchem Anlass, isst man. Kommt man irgendwo an, isst man. Hat man nichts zu tun, isst man.
Da ein großer Teil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, ist es hier sehr wichtig, etwas im Magen zu haben. Essen kommt also als erster Stelle vor allen anderen Genüssen. Dazu kommt, dass immernoch viele Indonesier als Bauern arbeiten, und da ist es wichtig, schnell wieder die Energie aufzunemhen, die man bei der anstrengenden Arbeit auf dem Feld verloren hat. Früher waren, wie in jedem Land der Welt, noch viel mehr Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt als heute, und so ist diese Gewohntheit des ständigen, reichhaltigen Essens in die tägliche Kultur übergegangen und bis heute dort geblieben. Auch wenn man einen gemütlichen Bürojob hat, gegessen wird immer.

Zum besseren Verständnis der Bedeutung von Essen möchte ich folgendes Beispiel nennen: Das Wort kendut heißt gleichzeitig gesund und Wampe...

Besonders als Gast hat man es schwer, denn Gäste müssen grundsätzlich IMMER und so viel wie möglich essen. So kam es in den ersten Wochen nicht selten vor, dass ich völlig vollgefressen auf meinem Bett lag um einerseits weiteren Essenszwängen zu entgehen und andererseits um mich
erst einmal etwas zu erholen. Selbst jetzt, wo meine Gasteltern mich schon längst nicht mehr als Gast betrachten, taucht meine Gastmutter öfters mal hinter einer Ecke auf und streckt mir eine riesige Portion entgegen, mit den Worten: Harus dihabiskan - Das muss aufgegessen werden. Ablehnen ist, wie immer, völlig indiskutabel und würde als Beleidigung gelten.
Ich muss aber auch sagen, dass die indonesische Küche sehr interessant und vielfältig ist. Zum Glück kann meine Gastmutter auch sehr gut kochen. Es gibt so viele verschieden Spezialitäten und mir fremde Gerichte, dass ich wohl tatsächlich das ganze Jahr brauchen werde, um alles zu probieren.
Bisher hat es sich in dieser Hinsicht allerdings als Problem herausgestellt, dass ich in einer muslimischen Familie lebe. Es kommt nämlich nur auf den Tisch, was auch
halal ist. Das Gegenteil von halal ist haram, und haram ist zum Beispiel Schwein und Alkohol, also all die Sachen, die ein gläubiger Muslim nicht essen darf. Ich habe mir interessehalber einmal durchgelesen, nach welchen Kriterien entschieden wird, was halal ist und was nicht. Die Regeln sind recht komplex, und bei vielen Tieren ist auch nicht so ganz geklärt, ob man sie essen darf oder nicht. An Land lebende Tiere ohne sichtbare, außenliegende Ohren sind zum Beispiel haram, deshalb darf man (eigentlich) auch keine Schlangen oder Geckos essen. Durch diese Einschränkung im Speiseplan entgeht mir natürlich einiges, was ich aber hoffentlich noch irgendwie nachholen kann.
Eine der anderen Freiwilligen lebt in einer chinesischen, christlichen Gastfamilie und bei ihr kommt auch öfters mal so exotisches auf den Tisch wie eben Schlange, Frosch oder auch Schweinehirn.
Vor kurzem bin ich von einem Mittagsschläfchen aufgewacht und hatte den intensiven Geruch von gebratenem Fleisch in der Nase. Ich dachte schon es sei richtig geiler, knuspriger Speck und sah schon ein paar Streifen neben einem Rührei auf meinem Teller vor mir liegen, bis mir plötzlich einfiel, dass das ja garnicht sein kann...

In Indonesien wird mindestens dreimal täglich Reis gegessen. In jedem Haus in dem ich bisher war, steht ein spezieller Reiskocher, in dem den ganzen Tag lang heißer Reis zur Verfügug steht. Es ist mir ein Rätsel wie er sich den ganzen Tag lang frisch halten kann, aber irgenwie scheint das Gerät entsprechend gebaut zu sein, sodass der Reis nach 5 Stunden immernoch so schmeckt wie kurz nach dem Einfüllen.

Dazu gibt es meistens eine Auswahl von frittierten Gerichten wie zum Beispiel Krupuk (kennt man in Deutschland vom Chinesen als Shrimp Chips, man kann sie aber auch aus Reis und Hühnchen machen) oder Tempe (eine Art Riegel aus Sojabohnen, sehr lecker) aber auch Fleisch (oft in einer Soße) und Gemüse.
Meistens stehen in einer indonesischen Küche mindestens fünf verschiedene Beilagen den ganzen Tag über auf dem Tisch, damit sich jeder bedienen kann, wann immer er will. Reis ist immer dabei. Bedenken wegen Salmonellen oder ähnlichen Keimen die sich bilden, wenn Essen offen herumsteht, scheint hier keiner zu haben. Muss man anscheinend aber auch nicht, bisher bin ich schließlich noch nicht einmal krank gewesen.
Wenn Indonesier keinen Reis zu einer Mahlzeit bekommen, gilt diese für sie als eine ausgelassene Mahlzeit, ganz egal ob sie Früchte oder sonstiges gegessen haben. Satt fühlen sie sich erst, nachdem sie ihren Reis gegessen haben.

Was mir hier besonders gut gefällt ist die Vielfalt an Früchten. Ich habe noch nirgendwo eine größere Auswahl frischer Früchte gesehen als hier in Indonesien. Die Hälfte davon habe ich vorher noch nie gesehen, geschweige denn probiert. Es kommt oft vor, dass ich mich einfach auf die Terasse setze (mit großartiger Aussicht auf die unendlichen Reisfelder und einen riesigen Berg) und mich genüsslich einer großen Schale Papaya oder Mango widme, die meine Gastmutter vorher (spottbillig) auf dem Markt gekauft hat. Jetzt gerade esse ich übrigens auch nebenbei Papaya :)
Was die hiesigen Geschmacksnerven angeht: Indonesier lieben die Extreme! Vieles ist total überzuckert oder auch sehr scharf. Süßes ist nicht einfach süß sondern oft einfach ein Zuckerklotz, besonders bei Getränken muss man aufpassen. Oft findet man auch Süße in Lebensmitteln, wo man es kaum erwartet – zum Beispiel in Frühlingsrollen oder zusammen mit Sojabohnen. Man muss auch in Restaurants etc. darauf achten, Getränke ohne Zucker zu bestellen, da man hier überall Zucker reinhaut, wo es nur geht (oder auch für uns überhaupt nicht geht). Besonders Kaffee war für mich am Anfang ein Schock. In Deutschland trinke ich meinen Kaffee immer ohne Zucker und mit Milch. Hier wird Kaffee IMMER mit Unmengen von Zucker getrunken und dafür NIE mit Milch. Milch wird hier sowieso sehr selten getrunken. Also genau das Gegenteil von dem, was ich gewöhnt bin.

Eine weitere Besonderheit in Indonesien sind die Warungs. Warungs sind Essensstände an den Straßenrändern. Hier wird von süßen Snacks bis zu kompletten Mittagessen alles angeboten, was die heimischen Felder und Küchen hergeben. Das Warung an sich gibt es in zahlrechen Ausführungen. Mal einfach nur hinten aufs Moped draufgeschnallt, mal in ein Fahrrad integriert (ähnlich wie bei einer Rikscha) und mal als großer Wagen mit Planen und Sitzen.
Das Essen der Warungs sieht meistens sehr interessant und lecker aus. Ich habe allerdings meine Zweifel, was die Hygene anbelangt. Das Essen liegt oft den ganzen Tag bei hohen Temperaturen zur Präsentation in einer Art Schaufenster herum - manches auch ungekocht. Gerade bei rohem Fleisch (totes Hühnchen am Stück) können einem schnell Zweifel an der Hygene kommen. Außerdem lassen sich auch gerne Fliegen auf den Lebensmitteln nieder.

Trotz alle dem esse ich liebend gerne in Warungs!! Obwohl einem jeder Tourist und jeder Reisefüher davor warnt, hatte ich von Anfang an keine großen Bedenken und habe einfach drauflosgegessen, außerdem bin ich ja auch kein Tourist ;) Das Essen war bisher immer sehr lecker und es ist vorallem auch SPOTTBILLIG!! Ich kann zum Beispiel eine große Portion Reis mit einer besonderen Art von Tempe (Kering Tempe) und etwas Hühnchen für ca. 30 Euro-Cent bekommen. Bei mir direkt vor der Schule wird in der Pause auch immer köstliches Bakso verkauft, eine Suppe mit Fleischbällchen aus Huhn, die Portion für nichteinmal 10 Cent!! Ich habe inzwischen schon dutzende Male in solchen Warungs gegessen und war noch nicht einmal krank. Ich muss aber auch zugeben, dass ich bisher der Einzige von allen Freiwilligen bin, der noch nicht krank war...

Vor ein paar Tagen wurde bei mir im Hof eine Kuh von und für die Nachbarschaft geschlachtet, im nächsten Eintrag werde ich ein paar Bilder hochladen.